Translation Idol Mark V – Welcome to the Republic of no man's land


For the fifth time, the magazine of German literature in translation www.no-mans-land.orginvites you to pit your wits against your peers in the now legendary talent contest Translation Idol – no man’s land sucht den Superübersetzer*.

To celebrate our monthly literary translation lab, no man’s land invites all those budding, successful and prizewinning German-English translators out there to join in our translation talent contest. Our previous events featuring Ron Winkler, Selim Özdogan, Jan Böttcher and Verena Rossbacher were huge successes with submissions from around the globe, which you can read on our website. After a brief hiatus, this year it’s back to prose of the challenging kind. All you have to do is send us your translation of the passage below, an extract from a story by Deniz Utlu.

Translate it any which way you like – fast and loose, slow and steady, straight from the hip, give it a dialect, put it into iambic pentameter, set it to music – whatever you want to do. You don’t have to be a seasoned professional – a passion for words is all it takes. Please send your translation for the contest (in Word or rtf format) by 30 September to: katy@interalia.de. Don’t forget a brief paragraph about yourself and a telephone number where we can reach you, as we’ll be calling the winners live from the competition.

Ideally, you should be able to attend the contest itself, at 8 pm on 3 October at Alte Kantine Wedding, Uferstrasse 8-11, 13357 Berlin (Wedding). Just turn up with your translation, ready to read. The audience will vote on the winning version, and the writer will choose his own personal favourite. There’ll be prizes galore for the top Translation Idols. If you can’t attend, your text will be read on your behalf. It’s still well worth entering, as all entries will be published on the no man’s land website. Please let us know whether you’ll be coming to the contest when you send your translation.

So get your dictionaries out and get translating! Or just come along to participate in the audience vote and enjoy an entertaining evening of literature and translation.

no man’s land reserves the right to make a prior selection of entries for the contest itself, should the response be overwhelming. 

* Oder die Superübersetzerin.


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Deniz Utlu’s Text

 

Verlusttiere

„Forget it Jake, it’s chinatown.“
Aus Roman Polanskis Chinatown

Wer nicht finden kann, verlustiert sich. Mit Blicken und Zungen. Mit Fingern und Händen. Im Klaren und im Suff. Nach geschlagener Nacht, Heimkehr der Verlusttiere.
Bewegen, nicht stehen bleiben, immer weiter, immer weiter. In der Bahn, in der Metro, im Verkehr, überall, überall gleichzeitig, immer. Omnipräsent. Wir halten uns wach, denn was wach ist, lebt. Und wir halten uns taub, denn was taub ist, spürt nicht.
Durch die Nase, durch die Kehle. Durch die Ohren, close your eyes. Wein aus Tetrapackkanistern, aus Flaschen manchmal, Bier in Sechserträgern, Wodka mit oder ohne Grashalm, gimme dope Joanna. Bass, Bass. In den Ohren. Bass, Bass. In dem Mund Zunge. Fremde Zunge, nass und kalt und zart und mehrfordernd wie Haut in fester Faust. Rauch. Rauch, in dem wir; Rauch, der in uns: die Stadt ist eine fette schwarze Lunge und in guten Zeiten treibt man sich in den Bronchien herum.
Man berührt sich mit Ellenbogen oder mit Genitalien. Mit Ellenbogen tags und mit Genitalien nachts.

Was verloren ist, soll vergessen sein. Wir haben das Recht zu vergessen. Aber auch, wenn vergessen ist: es bleibt die Angst vor weiterem Verlust. Und wenn etwas vergessen wurde, was nicht da war, was Illusion war und wirklich sein sollte, aber vergessen wurde, weil es nicht wirklich werden konnte, dann ist die Angst, die bleibt, die selbe; nur noch unnötiger. Verlusttiere sind Angsttiere. Sie brauchen die Betäubung.
Ich kann das. Ich kann über die Schwelle eines Kebabgeschäfts in Barbès schreiten, um vor einer Tür in Chinatown zu stehen. Ich kann mich in ein Café in einer Seitengasse in Taksim setzen und bekomme meinen Tee bei Melek in der Oranienstraße serviert.

In letzter Zeit zieht es mich immer häufiger nach Chinatown. Die Tür wird geöffnet und eine weißgepuderte junge Frau mit zugeschnürtem, blumigem Mantel und Chucks an den Füßen, begrüßt mich mit einem höflichen Knicks. Es folgt ein kurzer, dunkler Gang. Die junge Frau öffnet eine Tür und es strömt mir sofort ein süßlicher Duft entgegen. Hinter der Tür befindet sich eine Halle mit zahlreichen Holzetagen. An den Böden und Wänden hängen Teppiche. Leicht bekleidete junge Frauen laufen leisen Schrittes über und durch diese Teppiche. Sie tragen Pfeifen mit sich. Die Pfeifen liegen so zaghaft in den Händen, als hätten sie Seelen. Ich glaube sie haben Seelen. Sie hauchen sie aus und wir atmen sie ein, daher auch der süßliche Duft. Ich folge immer noch der jungen Frau, die mich durch den Rauch und die Teppiche führt. Wir gelangen zu einem kleinen hölzernen Aufzug, der mit Seilen hochgezogen wird. In der dritten oder vierten Etage hält er. Ich weiß schließlich nicht mehr, auf welcher Höhe wir sind und ob vorne oder hinten, Norden oder Süden. Es gibt keine Himmelsrichtungen mehr, es gibt gar keine Richtungen mehr, alle Kapitäne sind entlassen.
Sie hält mich an der Hand und legt mich sanft auf einen Teppich. Dann geht sie. Ich sehe ihren Rücken, ihren Zopf, ich sehe, wie sie verschwindet in dem Rauch, in den Teppichen, in der Seele. Sie verlässt mich. Ich liege da – ein gelähmtes Tier. Es kommt eine Pfeifenträgerin. Sie legt mir die Pfeife auf die Brust und schließt mit ihren kühlen Fingern meine Augen. Mit der anderen Hand hebt sie leicht meinen Kopf. Ich spüre einen Schlauch im Mund. Mit einem tiefen Atemzug ziehe ich daran. Die Seele dringt in mich ein. Jetzt kann ich lächeln.